Die Macht des bewussten Konsumenten oder: Politik mit dem Einkaufszettel

Einer allein kann ja nichts ändern. Die Politiker, die Konzerne, die “da oben” müssten die Weichen anders stellen, damit wir alle nicht weiter rettungslos auf den Abgrund zusteuern. – Die scheinbar unkontrollierbare Irrfahrt dieser globalisierten, unüberschaubaren Welt, in der wir heute leben, lässt einen oft hilflos zurück. Doch so klein und ohnmächtig sind wir nicht wirklich.

Zweifellos können die “da oben” mit einer einzelnen Entscheidung – sei es in der Gesetzgebung, sei es in der Ausrichtung eines Wirtschaftsriesen – viel weitreichendere Änderungen herbeiführen als ein einzelner Otto Normalverbraucher es vermag. Aber wir sind nicht einzeln. Wir sind viele. Sehr viele. Wir sind 83,1 Millionen Menschen, allein nur in Deutschland, die zusammen jeden Tag milliardenmal ihre Stimmen abgeben, durch die Art, wie wir unser nur scheinbar persönliches Leben führen. Und deshalb funktioniert es auch nicht, sich zu sagen, Politik – das interessiert mich nicht, da will ich mich nicht positionieren, da halte ich mich raus.

Was ich beim Einkaufen in den Wagen lege, ist politisch. Die Wahl meines Stromanbieters ist politisch. Welches Auto ich fahre, wie oft ich es benutze und ob ich auch mal Bus oder Zug nehme – ist politisch. Welche Kleidung ich kaufe, welchen Kühlschrank, welches Smartphone – politisch. Ich wähle die eine Sache und wähle gleichzeitig eine andere ab. Die Packung Kaffee, zu der ich greife, sagt entweder “ich finde es akzeptabel, dass Menschen – auch Kinder – und ebenso die Umwelt hierfür ausgebeutet und zu Grunde gerichtet werden” oder sie sagt “ich will, dass alle Menschen einen fairen Lohn für ihre Arbeit erhalten und dass ihre Gesundheit, ebenso wie unsere Umwelt, geschützt wird”. [1]

Und diese Aussage, diese Wahl treffe ich – ob ich will oder nicht. Es ist unbequem, aber niemand kann sich davor drücken. Es sei denn vielleicht, er entscheidet sich, in eine Hütte im Wald zu ziehen und nur noch von dem zu leben, was die Natur ihm schenkt. Auch das möglicherweise Kleingedruckte auf unserem Einkaufs-Wahlzettel (“Eigentlich will ich natürlich schon …, aber ….”) bleibt leider unberücksichtigt.

Warum gibt es in deutschen Supermärkten keine Dosen mit genetisch modifiziertem Mais, warum keinen Gentechnik-Tofu? Nicht, weil es gesetzlich verboten wäre – das ist es nicht. Sondern weil die allermeisten Kunden das nicht kaufen und essen wollen, wenn es auf der Packung steht (was es müsste), wie Umfragen in den vergangenen Jahren immer wieder sehr klar ergeben haben. Es gibt keinen Markt dafür, also wird es nicht produziert und angeboten. Die Kunden haben gentechnisch veränderte Lebensmittel erfolgreich abgewählt.
Warum gibt es gleichzeitig aber Unmengen von abgepacktem Billig-Fleisch oder Milchprodukten in den Supermärkten, die von Tieren stammen, die mit ebendiesem genmanipulierten Mais und Soja gemästet wurden? Weil das nicht deklariert werden muss, weil vielen Kunden es insofern nicht bewusst sein wird oder weil es manchen möglicherweise egal ist, wenn sie die genetisch veränderten Organismen nicht unmittelbar verspeisen sollen sondern über den “Umweg” Nutztier – obwohl in Studien sehr wohl genveränderte DNA im Gewebe und in der Milch von Tieren nachgewiesen werden konnte, die entsprechend gefüttert wurden. Was wiederum den wenigsten bekannt sein wird. [2]
Die Kunden wählen hierbei also nicht bewusst – und wählen dennoch.

So gestaltet ausnahmslos jeder durch seine täglichen Entscheidungen die Welt, in der wir leben, mit. Und die Welt, in der unsere Kinder und Enkel leben werden. Mit jeder Wahl meines täglichen Konsums gebe ich einen Stimmzettel ab – und dieser kommt bei “denen da oben” an.

Wir können nicht nicht wählen. Wir können es nur bewusst oder unbewusst tun. Wir können uns informieren. Und wir können die Macht gebrauchen, die wir als bewusste, mündige Konsumenten haben.



[1] Weiterlesen zum Thema Kaffee:
https://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/produkte/landwirtschaft/kaffee/
https://www.fairtrade-deutschland.de/produkte/kaffee/hintergrund-fairtrade-kaffee

[2] Quellen zum Thema Gentechnik in Lebensmitteln:
Bundesministerium für Ernährung und LandwirtschaftFAQ zum Thema “Gentechnik in Lebensmitteln”
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. – Gentechnik gehört nicht in die Milch
Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – Gentransfer aus Futterpflanzen auf höhere Tiere (PDF)
Foodwatch – Gentechnik-Kennzeichnungslücke verhindert Wahlfreiheit

Bildnachweis: Symbolfoto © i’m friday/Shutterstock.com, bearbeitet von Sandra Ferber

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