Mehr als 5.000 Menschen demonstrierten gestern friedlich am Dannenröder Forst bei Homberg/Ohm für eine grundlegende Verkehrswende und gegen die Zerstörung des kerngesunden, uralten Waldes. Ihre Forderung ist der sofortige Stopp der Baumfällungen, mit denen am 1. Oktober begonnen wurde, und der Verzicht auf den Weiterbau der A49 im Bereich des wertvollen Naturschutzgebietes mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Stattdessen sollen die Gelder in eine klimagerechte Verkehrspolitik, insbesondere den Ausbau des ÖPNV investiert werden.
Die Demonstration wurde getragen vom Aktionsbündnis „Keine A49“, Campact, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Fridays for Future und den Naturfreunden Deutschland und gemäß den Corona-Schutz-Bestimmungen durchgeführt.
Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand von Campact, wandte sich in einer eindringlichen Ansprache an die Teilnehmer:
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Seid herzlich gegrüßt! Was zaubert ihr denn hier auf dieses Feld im Nirgendwo? So viele verschiedene Gesichter, so viele ganz junge Leute, so viele ältere, so viele Fahnen und Transparente, was für eine bunte Vielfalt! Vor vier Wochen waren hier am Sonntag zum Waldspaziergang noch 50 Leute, vor drei 800, vor zwei 1.200 und jetzt viele Tausende. Wahnsinn, Ihr seid klasse, ich danke Euch, dass Ihr hier seid!
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Gerade eben war ich das erste Mal im Dannenröder Wald – und bin immer noch ergriffen und tief beeindruckt von diesem Wald. Die Stille und Ruhe. Die Schönheit und Grazie der uralten Bäume, von knochigen Eichen und irre hohen Buchen. Eben sang ganz zart ein Rotkehlchen, das sich in der Jahreszeit geirrt hat. Was für ein Konzert muss das hier erst im Frühling sein.
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Aber seit Donnerstag durchdringen drüben im Herrenwald ganz andere Geräusche den Wald durchdringen: Das Dröhnen von Räum- und Einsatz-Fahrzeugen der Polizei, die zu den Baumhäusern der Aktivist*innen vordringen. Die Schreie von Menschen, die von Tripods oder aus Baumhäusern geholt werden. Das Kreischen der Motorsägen und Harvester. Holz, das splittert. Uralte Bäume, die dumpf auf dem Waldboden aufschlagen.
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Das, was Verkehrsminister Scheuer und die hessische Landesregierung hier vorantreiben, ist ein Verbrechen. Ein Verbrechen an einem uralten Wald und der ganzen Vielfalt seiner Tier- und Pflanzenarten. Ein Verbrechen am Weltklima und an zukünftigen Generationen. Dagegen braucht es jetzt einen Aufstand – und wir alle sind dieser Aufstand!
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Denn überall in Deutschland stirbt unser Wald. Viel dramatischer als in der 80er Jahren, als das Waldsterben in aller Munde war. 400.000 Hektar! 400.000 Hektar Wald sind den letzten drei Hitze- und Dürre-Sommern zum Opfer gefallen. Genau deshalb will die Regierung jetzt endlich aus Kiefern- und Fichten-Monokulturen artenreiche Mischwälder entstehen lassen, die der Klimaerhitzung besser trotzen können. 1,5 Milliarden Euro will sie sich den Umbau kosten lassen.
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Doch ich kenne einen Wald, der ist schon längst geanu das, was die Regierung mit ihrem ganzen Geld überall erst erreichen will: ein kerngesunder Mischwald. Und dieser Mischwald – der Dannenröder Wald – soll jetzt zerstört werden?! Das ist so aus der Zeit gefallen, wie diese ganze Autobahn-Planung, die schon 40 Jahre alt ist. Und genau deshalb trifft dieser Plan heute auf unseren Tausendfachen Widerstand: Dieses irrsinnige Autobahn-Projekt muss gehen und dieser wunderschöne Wald muss bleiben. Wir sagen: Danni bleibt!
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Dieser Wald vibriert nur so vor Leben. Hier sind Siebenschläfer, Kammmolch und Ameisenbläuling zuhause. Und drüben im Herrenwald lebt sogar die gefährdete Bechsteinfledermaus, von deren Weltbestand sich 25 Prozent in Deutschland findet und für den wir daher international Verantwortung tragen. Wie sollen wir Brasilien oder Indonesien überzeugen ihre Regenwälder zu erhalten, wenn auch bei uns Hotspots der Biodiversität den Sägen zum Opfer fallen? Wir verlangen von den Regierungen in Wiesbaden und Berlin: Schützt diesen einzigartigen Wald und stoppt die Sägen!
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Aber vor allem wegen einem geht diese Straße überhaupt nicht: der Klimakrise. Und mit den Hitze- und Dürresommern der letzten drei Jahre wird uns allen bewusst: Die Klimakrise kommt nicht irgendwann. Sie ist längst da und schlägt mit voller Wucht und Brutalität zu. Mit den völlig ausgetrockneten Böden können wir sie anfassen, mit den vertrockneten Pflanzen sehen, mit den unerträglichen Temperaturen spüren.
Die Klimaforscher*innen sagen uns knallhart: Wir haben nur noch wenige Jahre, um das Schlimmste zu verhindern. Ein Artensterben von gigantischem Ausmaß. Millionen Menschen, die vor Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen fliehen müssen und dabei ihre Heimat und ihre Liebsten verlieren. Und das Überschreiten von Kipp-Punkten, hinter denen der Klimaerhitzung eine unaufhaltbare Eigendynamik entwickelt.
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Eines ist klar: Wenn wir verhindern wollen, dass die Welt kräftig über die kritische 1,5 Grad-Grenze hinaus fiebert, dann müssen wir jetzt sehr sehr schnell und sehr, sehr konsequent handeln. Was das heißt? Dass mit dem ganzen Autowahn, den SUVs und Spritfressern Schluss sein muss. Dass kein Euro an Subventionen mehr in den Straßenverkehr fließen darf. Dass wir einen CO2-Preis brauchen, der auch wirkt. Und dass 43 Kilometer Autobahn 43 Kilometer Zerstörung zuviel sind!
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Was wir brauchen und was wir längst schon haben, sind konkrete Alternativen zu diesem ganzen Autowahn. Und ich bin froh, dass hier auf diesem Platz ganz viele Menschen sind, die bei sich vor Ort für die Verkehrswende streiten. Bahnliebhaber*innen, die für kostenlosen und hochwertigen Nahverkehr in hoher Taktdichte auch auf dem Land kämpfen. Menschen, die für die Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene streiten. Die Leute, die mit Volksentscheiden für bessere und sichere Fahrradwege streiten. Ich kann nur sagen: Macht weiter, bleibt da dran! Eure Erfolge geben uns Kraft und Hoffnung – und sind gelebte Alternativen zu diesem Autobahn-Irrsinn!
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Diese Bewegung für die Verkehrswende und die Rettung des Waldes entwickelt ihre Kraft aus der Vielfalt an Menschen, die gemeinsam aktiv werden. Doch einige stechen aus dieser Vielfalt heraus – und das sind die Umweltaktivit*innen im Wald in ihren Baumhäusern. Ihr lasst mit Euren friedlichen Aktionen Zivilen Ungehorsams etwas verdammt Beeindruckendes entstehen. Das was Ihr macht, mag nicht ganz legal sein – aber angesichts der Klimakrise ist es bitter nötig und mehr als legitim!
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Ihr geht gerade durch ganz schwierigen Tage. Viele von Euch setzen sich vor die Räumpanzer und Harvester. Viele lassen sich in den Baumhäusern in 15, 20, 25 Metern Höhe räumen. Die Baumhäuser, Euer Zuhause, sollen abgerissen werden. Die Bäume, die für Euch zu Gefährten wurden, sollen fallen. Ich kann Euch nur zurufen: Bleibt in Eurer Kraft, lasst Euch nicht provozieren, bleibt weiter so entschlossen und friedlich. Und seid Euch sicher: Wir stehen hinter Euch! Wir alle hier auf dem Platz haben ganz viel Respekt und Bewunderung für Euch. Das hier, das ist Euer Applaus!
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Wer diesen Wahnsinn hier jetzt noch stoppen kann? Ganz klar: Andreas Scheuer. Er kann die Verträge zur Autobahn kündigen – und damit die nächste große Geldverschwendung nach dem ganzen Mautdebakel stoppen. Doch dieser – man muss es so hart sagen – dieser Totalausfall an Verkehrsminister wird das schwerlich tun. Deshalb kommt es jetzt auf die hessische Landesregierung an. Ja, die Autobahn steht im Koalitionsvertrag. Aber viele Verträge enthalten Fehler, die man ausbügeln muss – und diese Autobahn ist ein einziger Fehler!
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Lieber Volker Bouffier, lieber Innenminister Peter Beuth, lieber Verkehrsminister Tarek Al-Wazir, ich kann ihnen bloß raten, ihre Kollegen in NRW mal anzurufen, den Ministerpräsidenten Armin Laschet und seinen Innenminister Herbert Reul. Die glaubten vor zwei Jahren, sie könnten mit Ignoranz und Arroganz drüben im Rheinland ihre Klientelpolitik für RWE einfach mal so durchdrücken. Und einen uralten Wald, den Hambacher Wald, von den Kohlebaggern verschlingen lassen. Doch sie hatten nicht mit solch einer breiten Protestbewegung gerechnet, angesichts der ihnen nichts anderes übrig bleibt als den Hambi stehen zu lassen.
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Herr Bouffier, Herr Beuth, Herr Al-Wazir, seien sie schlauer, ersparen Sie sich die Blamage, wie Laschet und Reul sie erlitten haben. Lassen Sie Vernunft walten und stoppen Sie dieses Irrsinnsprojekt: Ganz viele Menschen in Hessen, ganz viele Menschen in ihrem Bundesland wollen diese Autobahn nicht!
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Noch ein letztes geht raus an die Bundesgrünen: Vor zwei Jahren pilgerte ihr alle zum Hambi, beim Danni seid ihr auf Tauchstation. Ich verstehe ja auch, dass das hier keine einfache Lage ist. Aber was ich dann schon von Euch verlange ist unmissverständlich klarzustellen, dass wenn ihr nach der Bundestagswahl im Bund in eine wie auch immer gefärbte Regierung geht, sowas hier nicht mehr passiert. Grüne im Bund in Regierungsverantwortung – das ergibt nur Sinn, wenn es einen sofortigen Baustopp für alle Straßenprojekte und eine Revision des Bundesverkehrswegeplans gibt!
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Liebe Leute, lasst uns da jetzt dran bleiben. Lasst uns gemeinsam für eine ganz andere Verkehrspolitik streiten und sagen: Wo Unrecht zu Recht wird, da wird Widerstand zur Pflicht! 43 Kilometer Zerstörung – das lassen wir nicht zu!
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Quelle: Campact e.V.
Willst Du auch, dass “Danni” bleibt? Dann werde aktiv und unterzeichne die gemeinsame Petition von Greenpeace, BUND und Campact für den Erhalt des Dannenröder Waldes:
Titelbild: Wikipedia / Stefan Müller